17. Oktober 2022
Das “grüne” Büro ist digital
Nach der Corona-Pandemie gibt es eine historische Chance für nachhaltige Gebäudeautomation. Daniele Di Fausto, CEO des Plattformunternehmens eFM, und Christian Kaiser, Geschäftsführer von Archibus Solution Centers Germany, analysieren für IMMOBILIEN AKTUELL die Möglichkeiten.
Rund ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland arbeitete im vergangenen Jahr 2021 regelmäßig von zu Hause aus – mehr als doppelt so viele wie 2019.
Doch die Zahl der Rückkehrer ins Büro steigt stetig an. Für Vermieter und Nutzer ergibt sich erstmalig die Gelegenheit, die eigenen Flächen systematisch zu befüllen und nachhaltig zu betreiben. Energie- und Flächenverschwendung gehören dann der Vergangenheit an. Dies kann der Startschuss für einen vollständig digitalen Immobilienbetrieb sein. Die Anbieter hierfür entwickeln sich von reinen Softwareproduzenten zu Plattformunternehmen.
Tesla-Chef Elon Musk hat mit seiner Ankündigung im Mai 2022, alle Mitarbeiter wieder verpflichtend ins Büro zu schicken, für einen Paukenschlag gesorgt. Der US-Unternehmer könnte damit erneut zum Trendsetter avancieren. Denn zahlreiche Unternehmen wünschen sich die erneute physische Nähe zu ihren Mitarbeitern. Von den temporären Leerstandsraten von 80 Prozent zum Höhepunkt der Corona-Pandemie hat sich der deutsche Gewerbeimmobilienmarkt ebenso verabschiedet wie vom Szenario eines massiven Flächenrückganges. Aktuelle Prognosen gehen von einer Gesamtflächenreduzierung von höchstens 15 Prozent aus. Die Aufgabe der Unternehmen ist es also nicht so sehr, den Immobilienbestand als Kostenfaktor zu beleuchten. Vielmehr besteht Einigkeit darin, dass veraltete und unansehnliche Büroflächen vom Markt verschwinden werden – wohingegen attraktive Bürolandschaften im Sinne des New Works zunehmen werden. Denn die Bindung und Neugewinnung von Mitarbeitern hat eine physische Dimension und kristallisiert sich im Gemeinschaftsort Büro heraus.
In diesem Zuge werden viele Bestandshalter und Gewerbemieter wohl zum ersten Mal ihren Gebäudebestand näher unter die Lupe nehmen. Ein „Weiter so“ ist angesichts massiver Umbrüche in der Arbeitskultur, die mittlerweile mit dem Büro, dem Zuhause und Alternativorten wie dem Zug oder einem Café drei Stätten umfasst, nicht tragfähig. Beide Interessengruppen innerhalb eines Unternehmens haben hierbei konvergierende Ansätze. Für die Immobilienabteilung eines Unternehmens, die in der Regel noch an die Finance-Abteilung angegliedert ist, gilt es, angesichts permanent steigender Mieten in guten Lagen Einspareffekte in der Flächennutzung zu generieren. Nutzer hingegen sind an Komfortlösungen interessiert. Das mittlerweile sich etablierende Desksharing und die Buchung von Gemeinschaftsräumen sollen keine zusätzliche Arbeitszeit beanspruchen. Wie eine Studie von Drees & Sommer von Juni 2022 ergab, hat jedes zweite Unternehmen bereits Desksharing eingeführt.
CAFM-Software für Kosteneffizienz und Nutzerkomfort
Sowohl das Immobilienmanagement als auch die Mitarbeiter können für ihre Bedürfnisse im Büro auf stetig sich weiterentwickelnde Software bauen. Computer-Aided Facility Management (CAFM) unterstützt bereits seit über 20 Jahren den Gebäudebetrieb. CAFM bleibt der technische Fachbegriff, obwohl mittlerweile auch das Property- und Asset-Management über dieselben Plattformlösungen abgebildet werden können. Daher haben sich CAFM-Lösungen mittlerweile zu Service-Datenplattformen entwickelt. Die Hauptmotivation für die Einführung von CAFM liegt in der Regel in der gesetzlich eingeforderten Betreiberverantwortung, die Datentransparenz einfordert. In Konzernen mit vierstelligen Mitarbeiterzahlen sind über 2.000 verschiedene Anlagen keine Seltenheit. Ihre regelmäßige Wartung und die Überprüfung der Nutzungsintensität können über konventionelle Software wie Excel nicht abgebildet werden. Neben Maschinen wie Klima- oder Sprinkleranlagen erfasst CAFM ganze Räume. Bei beispielsweise rund 500 Umzugs- oder Umbauprojekten pro Jahr im Falle eines bekannten deutschen Modekonzerns gilt es, mittels CAFM die Änderungen anhand der digitalen Baupläne zu erfassen und laufend zu aktualisieren. Schnittstellen zu Planungssoftwares wie AutoCAD sind daher unerlässlich. Für das Immobilienmanagement ergeben sich weitere Anwendungsfelder in den Bereichen Reinigungs-, Vertrags- oder auch Rechnungsmanagement, da Dienstleister wie Handwerkerfirmen oder Reinigungsbetriebe auf der Plattform andocken können. Für die Einspielung der Daten in das jeweilige ERP-System bedarf es erneut einer Schnittstellenfähigkeit der Plattform.
Für Mitarbeiter außerhalb der Immobilienverwaltung bietet die digitale Abbildung der Räume innerhalb der CAFM-Plattform direkte Buchungsoptionen für die jeweilige Arbeitssituation. Der Arbeitsplatz von morgen wird dann am Tag zuvor reserviert, die Räume für Gruppenarbeit sind per App buchbar. Durch eingebaute Sensorik können sich die Nutzer über die energetisch optimale Verwendung der Räume informieren, um so ihren Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen ihres Arbeitgebers leisten zu können.
CAFM für die Erreichung der ESG-Ziele
Die Rückkehr ins Büro hat direkte Relevanz für die Nachhaltigkeitsziele im Bestand. Der deutsche Gebäudesektor hat in den drei Dekaden zwischen 1990 und 2020 bereits 42 Prozent seiner CO₂-Emissionen eingespart. Doch für die ambitionierten Ziele der Zukunft, die bis 2030 50 Prozent Einsparungen vom aktuellen Stand und bis 2045 voll-ständige CO₂-Neutralität vorsehen, bedarf es zusätzlicher Maßnahmen. Die im Jahre 2017 definierte DIN-Norm zur Energieeffizienz von Gebäuden sieht hierbei beispielsweise eine automatische Heizanpassung für Räume je nach Nutzerintensität vor – ein Vorhaben, das ohne den digitalen Zwilling der Immobilie nahezu unmöglich ist.
ESG ist daher zweifelsohne ein Treiber für digitale Lösungen. Deren Anbieter entwickeln sich von spezialisierten Software-Herstellern zu multifunktionalen Plattformunternehmen, die Anbieter aus verwandten Branchen per Schnitt-stelle anknüpfen. Beispielhaft sind hierbei Kooperationen mit Energieunternehmen, die im Sinne des Smart Grid gezielte Energielösungen für die jeweilige Immobilie mit der passenden Einspeisung in die Netze bereitstellen können. Weitere geeignete Branchen für Immobilien-Ökosysteme mit ESG-Fokus sind Mobilitätsanbieter, Messdienstleister oder auch die Bauindustrie. Projekte wie HubQuarter streben den digitalen Zwilling eines ganzen Viertels an, der – mehr noch als ein einzelnes Gebäude – die verschiedenen Akteure der Stadtentwicklung miteinander verbindet.
Nachhaltigkeit und Digitalisierung – die Verschmelzung von Megatrends
Rund 2,8 Millionen Nicht-Wohngebäude existieren in Deutschland. Ein beträchtlicher Teil von ihnen muss so schnell wie möglich digital abgebildet werden, um mittels eines nachhaltigen Gebäudebetriebes das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. CAFM-Anbieter bieten sich bei diesem Prozess als Plattformlösung an. Sie zählen zu den Pionieren der Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft und haben ihr Produktportfolio in den vergangenen Jahren konsequent fortentwickelt.
Daniele Di Fausto, Christian Kaiser
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Quellen: IMMOBILIEN AKTUELL, Ausg. September 2022