2. Oktober 2024

CSRD ante portas – höchste Zeit für ESG

Ab 2025 beginnt die Berichtspflicht (nicht nur) für große Unternehmen

Die europäische Regulatorik verpflichtet vom kommenden Jahr an immer mehr Unternehmen zu einer umfangreichen ESG-Berichterstattung. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) führt nach Berechnungen der Bundesregierung zur Berichtspflicht für bis zu 50.000 Unternehmen in Deutschland. Doch sind auch immer mehr kleine und mittlere Büros betroffen, etwa als Auftragnehmer. Die bestehenden Herausforderungen und Folgen der Regulatorik sowie positive Auswirkungen auf Unternehmen beschreibt dieser ARCHIBUS Blogbeitrag.

Ohne ESG-Berichterstattung wird es in Zukunft nicht mehr gehen. Ab dem kommenden Januar sind nach Handelsgesetzbuch große Kapitalgesellschaften verpflichtet, ein Nachhaltigkeitsreporting zu erstellen. Weitere Unternehmen folgen in den kommenden Jahren sukzessive. Die europäische CSRD-Richtlinie verfolgt das Fernziel einer CO2-Neutralität bis 2050. Hierzu bilden die Berichtsvorgaben eine Grundlage. Denn erst mit einer umfassenden Datengrundlage lassen sich Maßnahmen abschätzen und implementieren, um dieses Ziel zu erreichen. Was für die Europäische Union gilt, kann ebenso auf jedes einzelne Unternehmen angewendet werden.

Der Kapitalmarkt verlangt das Reporting

Banken und Kreditgeber sind bereits seit 2017 von der Direktive betroffen. Bei der Kreditvergabe rücken die Reports der Unternehmen zunehmend stärker in den Fokus. Dies ist die Folge einer Bereinigung der Bankportfolios um Assets mit ESG-Risiken. Diese Risiken sind nicht nur im Sinne einer Umweltschädigung zu sehen, auch wenn die Reduzierung von Treibhausgasemissionen den in der öffentlichen Wahrnehmung höchsten Stellenwert einnimmt. Ebenso sind Aspekte wie die Mitarbeiterzufriedenheit, inklusive Maßnahmen für die Belegschaft oder Antikorruptionsrichtlinien von Bedeutung. In der Zukunft werden Unternehmen ohne ESG-Reporting einen erschwerten Zugang zu Fremdkapital erfahren.

In einem Gutachten der Ludwig-Maximilians-Universität München für die Hanns-Seidel-Stiftung aus dem Jahr 2023 wurde ein direkter Zusammenhang zwischen einem umfangreichen ESG-Reporting und niedrigeren Zinskosten bei der Versorgung mit Fremdkapital festgestellt. Diese Folge war zu diesem Zeitpunkt unabhängig von den realen Ergebnissen des Nachhaltigkeitsberichts. Allein die Existenz des Reportings führte zu verbesserten Zinskonditionen am Kapitalmarkt. Diesen Zinsbonus erklären die Studienautoren unter anderem mit dem geringeren Aufwand der Banken bei der Erstellung eines eigenen Nachhaltigkeitsberichts. In diesem Szenario wird also die Datenbasis für das bankeigene ESG-Reporting mit niedrigeren Kreditzinsen „erkauft“.

Zugang zu neuen Finanzprodukten

ESG-gebundene Finanzprodukte rücken laut einer McKinsey-Studie von Mai 2024 stärker in den Fokus des deutschen und westeuropäischen Bankensektors. Grüne Investitionskredite, Anleihen und Anlageprodukte werden mittlerweile von mehr als der Hälfte der befragten Banken aus Deutschland angeboten und favorisiert. Gleichzeitig ergab die Untersuchung ein ESG-Defizit der deutschen Kreditinstitute im Vergleich zu westeuropäischen Konkurrenten. Diese Finanzprodukte sind ihrem Wesen nach mit einem ESG-Bericht des Kunden verknüpft, um die Nachhaltigkeit des Investments auch für das bankeigene Reporting abzubilden. Sie bieten sowohl den Unternehmen als auch den Banken einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Stakeholdern.

Auch die Kundenentscheidungen werden in Zukunft stärker durch den unternehmenseigenen ESG-Impact beeinflusst. Eine Untersuchung von Oracle aus dem Jahr 2022 ergab, dass 65 Prozent der Konsumenten bereit wären, eine Markenbeziehung zu beenden, sofern Nachhaltigkeit und soziale Initiativen nicht beachtet werden. Ähnlich sieht es im Bereich der Mitarbeitergewinnung aus. Eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) stellte 2021 fest, dass über 50 Prozent der potenziellen Mitarbeiter nicht-nachhaltige Unternehmen als Arbeitgeber ausschließen.

Vier Wege der Datenbeschaffung

Um Nachhaltigkeitsdaten auch für das eigene Unternehmen zu generieren, existieren vier verschiedene Möglichkeiten: Eigenproduktion, Kauf, Erlangung über Dritte (Kunden und Geschäftspartner) oder Berechnung durch Verbindung von vorhandenen und erfragten Daten. Da der Markt zum Einkauf dieser Daten bislang keine besondere Rolle erlangt hat, kommen Unternehmen meistens nicht herum, Daten selbst zu generieren oder vorhandene Daten systematisch zu analysieren. Datenproduktion erfolgt auf verschiedenen Wegen und geht dadurch einher mit unterschiedlichen Datenformaten und Datenqualitäten.

Externe Datenquellen arbeiten häufig mit intransparenten CO2-Äquivalenten. Dies gilt zum Beispiel für Fluggesellschaften und ihren Angaben zum Reiseverhalten der Mitarbeiter in einem Unternehmen. Solche Daten gilt es auf ihre Genauigkeit und Übertragbarkeit in das eigene ESG-Reporting zu überprüfen. Dem gegenüber stehen interne Berechnungen – so zum Beispiel digitale Gaszähler, die den Durchfluss und die Brennerleistung sämtlicher Heizungsanlagen einer Unternehmenszentrale exakt ermitteln. Bei Hinzuziehung von Dienstleisterdaten  ergibt sich ein weiterer Aufwand, um diese Daten für ein konsistentes ESG-Reporting nutzbar zu machen.

Immobilien sind der hauptsächliche ESG-Faktor

Ein Großteil der Umweltrisiken eines Unternehmens liegt in den Immobilien begründet. Das Umweltbundesamt berechnete 2023 einen Anteil von 70 Prozent am nationalen Stromverbrauch durch Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Gleichzeitig verbrauchen Gewerbeimmobilien 38 Prozent des Endenergiebedarfs aller Gebäude, wobei sie nur 13 Prozent aller Gebäude umfassen. Zusätzlich sind standortspezifische Faktoren per Definition immer mit dem Liegenschaftsstandort verknüpft. Dazu gehören beispielsweise Flutrisiken oder auch eine erhöhte Waldbrandgefahr.

Die Datenerhebung aus eigenen oder gemieteten Liegenschaften sollte also den größten Stellenwert bei der ESG-Datenerhebung einnehmen. Diese Notwendigkeit gilt über alle Nutzungsarten hinweg. Ob ein Unternehmen Büros, Mitarbeiterwohnungen, Logistikimmobilien oder Fabriken unterhält – jeder Bereich gehört gleichermaßen in eine fundierte Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dabei sind die verschiedenen Energieverbraucher und Energiequellen in die Berechnung zu integrieren.

Auch der Sozialfaktor des ESG-Reportings steht bei der Betrachtung des Immobilienbestandes im Fokus. Barrierefreie Liegenschaften, Ruhezonen, Mitarbeiterduschen oder ähnliches zahlen auf den Sozialwert einer Immobilie ein. Gleichzeitig wirft dies wiederum die Frage nach einer Skalierbarkeit in Datenform auf. Um solche Faktoren in einem ESG-Reporting zu berücksichtigen, ist eine spezifische CSRD-Beratung notwendig. Die Kosten, die durch Beratung und ein interdisziplinäres ESG-Team entstehen, werden durch die erleichterte Kapitalbeschaffung und höhere Kundenbindung als Reportingeffekte aufgefangen.

Wertsteigerung eines Unternehmens durch höheres ESG-Scoring

Eine fundierte ESG-Datenanalyse korreliert laut einer Meta-Analyse der Universität Hamburg unter mehr als 2.000 Studien aus dem Jahr 2015 mit der finanziellen Performance. Die Datenanalyse legt Schwachstellen im Unternehmen offen, führt zu einer besseren Kenntnis des eigenen Unternehmens und bietet somit umfangreiches Optimierungspotenzial in allen Unternehmensbereichen. Auch ohne eine unmittelbare Verbesserung des unternehmenseigenen ESG-Scorings ergeben sich demnach weitreichende Performancechancen durch die Datenanalyse. Anders ausgedrückt: Die reine Erstellung eines Reportings zahlt bereits auf die im Nachgang zu erreichenden Nachhaltigkeitsziele eines Unternehmens ein – unabhängig davon, wie ambitioniert oder nicht sie formuliert sind.

Sobald in einem zweiten Schritt durch entsprechende Maßnahmen eine Steigerung des eigenen ESG-Scorings erreicht werden kann, ergeben sich Zuwächse des Unternehmenswertes. Laut einer Studie von Deloitte aus dem Jahr 2022 steigerte eine Erhöhung des ESG-Scorings um zehn Punkte den EV/Ebitda (das Verhältnis von Unternehmenswert zu operativem Ergebnis) im Durchschnitt um den Faktor 1,2 und im Maximum um den Faktor 1,8. Im Zusammenhang eines M&A-Prozesses beispielsweise ergeben sich dieser Untersuchung zufolge deutliche Vorteile für den Unternehmensverkauf durch ein gesteigertes ESG-Scoring.

Schlechte Datenbasis in Gewerbeimmobilien

Problematisch bleibt bislang die schlechte Datenlage. In einer Umfrage des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) unter deutschen Corporate Real Estate Managern (CREM) aus dem Januar 2024 gaben eine große Mehrheit von 77 Prozent den Mangel an konsistenten und validierten Daten bzw. einem standardisierten Reporting als Grund für ausbleibende Dekarbonisierungsmaßnahmen an. Diese schlechte Datenbasis trägt demnach zu einem großen Teil zur ökologisch schlechten Performance der deutschen Gewerbeimmobilien bei. Nur eine digitalisierte Datenbasis aller Assets eines Unternehmens und der Liegenschaft im Besonderen kann als Grundlage dienen für ein regulatorisch korrektes ESG-Reporting.

Für Immobilien bietet sich zur Datenerfassung insbesondere das Building Information Modeling (BIM) an. Ein digitaler Zwilling ermöglicht die stringente und nachhaltige Erfassung sämtlicher Gebäudedaten über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Technische Lösungen zur Datenmessung, die passende Software zur Verarbeitung, Aufbereitung und Analyse sowie eine ESG-Beratung führen zu einem umfangreichen Anfangsinvestment für die Unternehmen. Auch die Implementierung eines ESG-Teams innerhalb der Unternehmensstruktur und eine abteilungsübergreifende Sensibilität für das Themenfeld geht mit hohen Kosten einher. Es ist jedoch ein notwendiges Vorgehen, um gesetzlich konform zu agieren. Es ist nicht nur die Regulatorik von EU und Bundesgesetzen, die eine signifikante Menge an Unternehmen in den kommenden Jahren zu einer Berichterstattung zwingt. Auch zeigen die Beispiele aus der Bankenwelt, welche Hürden sich für Unternehmen ohne Reporting in Zukunft bei der Kapitalbeschaffung ergeben werden.

Der Schlüssel bleibt der Immobilienbestand. In den Gebäuden wird die meiste Energie verbraucht. Zugleich stellen sie  hohe Anforderungen an die Datenbeschaffung. Unternehmen mit einem digitalisierten Immobilienbestand werden keine Probleme haben, auch weitere Geschäftsbereiche in ihr Reporting einzubeziehen. Im Sinne einer Berichterstattung, die nicht nur der Regulatorik Genüge tun, sondern einen echten Unterschied für Menschen und Unternehmen erzeugen soll, kommen Unternehmen um ihre Liegenschaften nicht herum.